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Channel: Mexiko – Drogen Macht Welt Schmerz
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Drogenkartell CJNG schraubt Gewaltspirale in Mexiko in die Höhe

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Am 24. Mai 2018 wurde die Journalistin Alicia Díaz González, die für die Zeitungen „El Financiero“ und „El Norte“ schrieb, tot in ihrer Wohnung in Monterrey, Mexiko, gefunden. Sie ist nicht die einzige Journalistin und vor allem nicht die einzige unschuldige Zivilistin, die in den letzten Monaten in Mexiko umgebracht wurde. Nachdem das Jahr 2017 mit knapp 27.000 verzeichneten Morden das tödlichste der letzten zwei Jahrzehnte in Mexiko gewesen ist, veröffentlichte die mexikanische Regierung nun ihre Vierteljahresstatistik für den Zeitraum Januar bis April 2018. Demnach stieg die Mordrate mit 10.395 Fällen sogar noch um 21 Prozent gegenüber 2017 an. Drogenkartelle wie das CJNG werden für diese Entwicklung verantwortlich gemacht.

Ermordungen in Mexiko sind um 21 Prozent zum Vorjahr angestiegen

Alicia Díaz González ist bereits die fünfte Journalistin, die dieses Jahr in Mexiko ermordet wurde. Im Jahr 2017 sind laut der Internationalen Journalisten-Föderation 13 Berichterstatter in Mexiko ermordet worden – so viele wie in keinem anderen Land der Welt. Die Zahl der Ermordung von Publizisten seit 2000 liegt mittlerweile bei über 80. Die Meisten Opfer berichteten im Vorfeld bei verschiedenen Zeitungen über „Drogenhandel, Korruption und die Verquickung von Politik und organisiertem Verbrechen“. Die Morde bleiben in der Regel unaufgeklärt und straflos. Doch nicht nur Journalisten müssen beim Kampf der Drogenkartelle um die Vormachtstellung in einem Gebiet ihr Leben lassen, auch unschuldige Zivilisten: Kinder, Mütter, Väter, Freunde – es kann jeden treffen. Im Wahljahr 2018 erlebt Mexiko mit durchschnittlich 90 Morden pro Tag nun einen neuen Höhepunkt der Gewalt. Politiker sind im Vorfeld der für den 1. Juli 2018 angesetzten Präsidentschafts-, Kongress- und Gouverneurswahlen ebenfalls sehr gefährdet. Aber auch hier können Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen werden. Viele der Taten wurden dem Drogenkartell „Cartel Jalisco Nueva Generación“, kurz CJNG zugeordnet, welches derzeit zu den einflussreichsten Verbrechergruppen des Landes zählt.

Die kriminelle Organisation CJNG gehört zu den mächtigsten Drogenkartellen des Landes

Das Drogenkartell CJNG entstand im Jahr 2010. Der Anführer des mächtigsten Drogenrings Mexikos, des Sinaloa Kartells, Ignacio Coronel, alias „Nacho“, wurde von mexikanischen Streitkräften getötet. Er übergab mit seinem Tod die Macht an den Chef des Milenio Kartells, Óscar Orlando Nava Valencia alias „El Lobo“. Diese Übergabe ergibt durchaus Sinn, denn das kleinere Milenio Kartell organisiert seit jeher die Finanzen und die Verschiffung der Drogen für das größere und mächtigere Sinaloa Kartell. Doch gleichzeitig mit dem Tod „Nachos“ wurde „El Lobo“ festgenommen. Das entstandene Machtvakuum musste schnellstens gefüllt werden. In direkter Folge der Verhaftung von „El Lobo“ kam es zu einer Teilung des Milenio Kartells. Die beiden entstandenen Gruppierungen „La Resistencia“ und „Torcidos“ kämpften nun um die Kontrolle über den Drogenhandel im wohlhabendsten Staat Mexikos, Jalisco. Nach dem Sieg der „Torcidos“ entstand die heutige CJNG mit ihrem Anführer Nemesio Oseguera Ramos, alias „El Mencho“. Die kriminelle Organisation breitet sich immer weiter aus und gilt heute neben der Sinaloa als eines der mächtigsten Drogenkartelle. Es ist mittlerweile in 22 Bundesstaaten in Mexiko aktiv, pflegt aber auch Beziehungen nach Kolumbien, Peru, Bolivien oder in die USA. Diese Beziehungen nutzen es, um seinen Drogenhandel auszuweiten und Marihuana, Kokain und synthetische Drogen vor allem in westliche Länder zu schmuggeln. Mexiko nimmt daher eine immer wichtigere Rolle im weltweiten Drogenhandel ein. Dies wird durch die Waffenniederlegung der kolumbianischen Guerilla-Organisation FARC und ihrem Friedensabkommen mit der Regierung Kolumbiens begünstigt. Diese trat durch ihren Rücktritt beispielsweise den größten Absatzmarkt, die USA,  an Mexiko ab. Das CJNG ist mittlerweile bekannt für seine aggressive Gewalt und seine idealistischen Propaganda-Auftritte. Es sieht sich als Retter und Verteidiger der Zivilbevölkerung und propagiert Schutz vor anderen Kartellen wie „Zeta“ oder „Knights Templar“. Die von dem Drogenring „Knights Templar“ regierte Region Michoacán konnte es bereits einnehmen, um sich dort auszuweiten. Es ist auch bekannt, dass das gefürchtete Kartell sehr gute Waffen besitzt, von Maschinengewehren bis hin zu Raketenwerfer – woher diese Waffen kommen, ist nicht erwiesen, doch die Vermutung liegt nahe, dass diese Terrormiliz ihre Waffen, genauso wie viele andere, aus dem Westen geliefert bekommt. Das CJNG sorgte in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen. Im März 2015 soll es sie fünf Polizisten getötet und einen Monat später ein Massaker angerichtet haben, bei dem weitere 15 mexikanische Polizisten starben. Im April desselben Jahres wurden 65 Menschen im Zuge des Konfliktes gegen das „Zeta-Kartell“ ermordet. Während im Mai 2015 eine groß angelegte Militäroperation zur Festnahme des Anführers „El Mencho“ führen sollte, errichteten Mitglieder der kriminellen Gruppe bis zu 40 brennende Straßenblockaden in drei Bundesstaaten. Zeitgleich schossen sie einen Militärhubschrauber des Verteidigungsministeriums ab. Die Operation blieb daher erfolglos. Das CJNG soll auch für die erst kürzlich verschwundenen Filmstudenten aus Jalisco verantwortlich sein, welche nach einiger Zeit in Säure aufgelöst gefundenen wurden.

Zahlreiche gewalttätige Vorfälle erhöhen die Risiken für reisende Touristen

„Die Sicherheitslage in weiten Teilen Mexikos verschlechtert sich stetig. Gewaltdelikte als Folge der hohen Allgemeinkriminalität, aber auch im Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität (Raubüberfälle,  Entführungen, Tötungsdelikte, Racheakte) finden zunehmend an zentralen Orten am helllichten Tag statt“, beschreibt das Auswärtige Amt die aktuelle Lage in Mexiko. Eines von unzähligen Beispielen ereignete sich am Dienstag in der zweitgrößten Stadt des Landes, Guadalajara. Das Attentat am helllichten Tag auf den ehemaligen Generalstaatsanwalt Luis Carlos Nájera des Bundesstaates Jalisco schlug aber fehl. In einem angelegten Katalog beschreibt das Auswärtige Amt, welche Gebiete von Touristen besucht werden können und welche lieber gemieden werden sollten. Vor allem die Gewalt in der Hauptstadt Medellín flammt wieder auf. Diese Gefahrenwarnungen sollten ernst genommen werden. Die aktuellen Ereignisse und die Zahl der Toten bestätigen die Kritiken gegenüber der Regierung des amtierenden Präsidenten Enrique Peña Nieto, die eine militärische Lösung des seit 2006 andauernden sogenannten „Krieges gegen die Drogenkartelle“ befürwortet. Gerade auch für Frauen in Mexiko wird die Situation immer prekärer. „Feminizide“ beschreibt die sexuelle Gewalt mit Todesfolge gegen Frauen und Mädchen. Diese haben sich in diesem Jahr gegenüber dem vorherigen um ein Fünftel erhöht: 269 Frauen wurden vergewaltigt und ermordet. Zuletzt hat die Gewalt gegen Frauen gerade in Touristenregionen zugenommen.

Der Drogenhandel erhöht Kriminalität und Gewalt und stürzt viele Menschen in die Armut

Es bleibt abzuwarten, ob die Wahl im Juli 2018 eventuell einen neuen Wind aufwirft und man im Punkt „Kampf gegen den Drogenhandel“ endlich einen Schritt weiterkommt. Der Drogenkrieg zieht immer Folgen verschiedenster Art mit sich. In Mexiko sieht man momentan vor allem die deutliche Zunahme an Kriminalität und Gewalt, da die hochkriminellen Drogenorganisationen vor nichts zurück schrecken. Dadurch werden unter anderem soziale Probleme und Armut angeregt, denn der größte Gewinnanteil bleibt bei den Bossen der Drogensyndikate. Die illegale Drogenwirtschaft beschädigt zudem demokratische Strukturen und schwächt systematisch die demokratische Entwicklung. Drogengelder finanzieren beispielsweise Wahlkampagnen für Politiker, öffentliche Entscheidungen werden beeinflusst, politische Macht erkauft. Die Regierungen werden dadurch korrupt und lassen sich bestechen. Die extrem hohe Drogenkriminalität hat die Regierung Mexikos zudem veranlasst, ihre Armee immer mehr Aufgaben der öffentlichen Sicherheit zu übertragen. Das Militär ist damit so stark und wichtig, dass eine zivilgesellschaftliche Kontrolle nahezu unmöglich wird. In vielen Fällen kommt es zu schweren Verletzungen der Menschenrechte. Ohne richterlichen Beschluss werden Wohnungen durchsucht, Personen willkürlich festgenommen, Verdächtige misshandel und gefoltert. Es bleibt bis zur Wahl nun nur zu hoffen, dass keine weiteren Menschen mehr getötet werden. (( GIZ: Drugs and Development in Latin America; Stand: 29.05.2018 ))

 


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