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Channel: Mexiko – Drogen Macht Welt Schmerz
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Perspektivlosigkeit in der Jugend: Der große Bruder, das Drogenkartell

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Der War on Drugs in Mexiko gilt weithin als gescheitert. Durch repressive, militärische Maßnahmen verloren zehntausende Menschen ihr Leben, während der illegale Drogenhandel kaum eingedämmt wurde. Um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, wird oft auf Aufstockung der Polizei und die Gefangennahme von den Führern der Drogenkartelle, wie kürzlich bei Joaquín Gúzman geschehen, gesetzt. Dass dies allein aber nicht ausreichend ist, zeigt eine neue Studie der World Bank: Demnach herrscht eine starke Wechselbeziehung zwischen der Rate an jungen Arbeitslosen und den Mordraten. Besonders ausgeprägt ist dies in Gebieten, in denen die Drogenkartelle eine Vormachtstellung innehaben.

Arbeitslosigkeit betrifft mehr als 20 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Mexiko. Damit zeigt sich einmal mehr die Notwendigkeit für den mexikanischen Staat, allen Jugendlichen, auch in ländlichen Gebieten, Perspektiven zu bieten. Dabei geht es nicht nur darum, irgendeine Arbeit zu finden. Vielmehr fehlen oft Aufstiegsmöglichkeiten und damit der persönliche Erfolg. Diesen finden viele junge Menschen eher in der Mitarbeit in Drogenkartellen. Dabei gibt es neben dem möglichen hohen Verdienst auch soziale Durchlässigkeit und somit hohe Aufstiegschancen in der sozialen Hierarchie. Beispielsweise kann ein Jugendlicher bei der Mitarbeit in einem Drogenkartell fast dreimal so viel wie das nationale Durchschnittseinkommen verdienen.

Wenn die lukrativste und manchmal auch einzige Option des Geldverdienens die Arbeit in einem Drogenkartell ist, birgt dies eine große Gefahr. Drogenkartelle springen so in die Bresche, wenn der Staat es versäumt, jungen Menschen eine Alternative zu bieten. Junge Menschen werden in eine Spirale aus Gewalt und Abhängigkeit gezogen, während der ständige Zuwachs an jungen Mitarbeitern die Drogenkartelle wachsen und erstarken lässt. Die Mitarbeit in den Drogenkartellen beinhaltet neben dem Drogenhandel auch die Entführung oder Ermordung von Menschen. Die Rekrutierung von sehr jungen Menschen birgt damit neben der Stärkung der organisierten Kriminalität auch die Gefahr der Abstumpfung einer ganzen Generation und trägt somit zu einer weiteren Verschärfung der Gewalt im Land bei. Eine Sozialarbeiterin dazu: „Es sind die Kartelle, die zu den Jugendlichen kommen und ihnen wenigstens irgendwas anbieten. Sie bieten ihnen Geld, Handys und Waffen, um sich zu schützen. […] Sie haben nichts zu verlieren. Sie wissen, sie könnten sterben und das sagen sie auch.“ Dabei fallen auch meistens Jugendliche den Gewalttaten zu Opfer. Oft werden Jugendliche, die der Mitarbeit in Drogenkartellen verdächtigt werden, ohne Gerichtsprozess durch Sicherheitskräfte erschossen. Dies produziert weiteres Misstrauen in den Staat.

Allerdings gehören auch Staaten wie Guerrero, die soziale Programme zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit entwickelt haben, mit zu den gewalttätigsten. Die Wechselbeziehung des Gewaltanstieges in Zusammenhang mit der Rate an Jugendarbeitslosigkeit schlägt sich am stärksten in den Grenzregionen wieder, in denen durch die US-Nachfrage der Drogenhandel am stärksten ausgeprägt ist.

Dennoch wäre es sicherlich sinnvoll, statt militärischer Maßnahmen zusehends auch die Bekämpfung der Perspektivlosigkeit in der jungen Bevölkerung zu einer Priorität im Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu machen. Wenn junge Leute durch den Staat anstelle der Drogenkartelle eine Perspektive zur persönlichen und finanziellen Entwicklung erhalten, wird den Drogenkartellen der Nährboden und Nachwuchs entzogen.

Calderon, bis 2012 der Präsident von Mexiko und maßgeblicher Unterstützer des militärischen War on Drugs, zeigte sich dieser Ansicht gegenüber kritisch. Er war der Überzeugung, dass die Bekämpfung von Armut und Perspektivlosigkeit nicht dazu beitragen können, den illegalen Drogenhandel, der jährlich einen Profit von mindestens 40 Milliarden Dollar ausmacht, einzudämmen. Allerdings haben auch seine militärischen Maßnahmen eher zu einem Anstieg der Gewalt in Verbindung mit dem organisierten Verbrechen im Land geführt statt zu einer Eindämmung des Drogenhandels. Während Maßnahmen zur Eingliederung von jungen Arbeitslosen in die Arbeitswelt und Gesellschaft möglicherweise dem illegalen Drogenhandel wenig anhaben, könnten sie auf jeden Fall zu einem Rückgang der Gewalt führen, die das Land seit Jahren erschüttert.

Eine der Mitentwicklerinnen der Studie dazu: „Der Report zeigt nur einmal wieder, was wir schon lange wissen, nämlich dass Gewalt nicht ein Problem von fehlender Gesetzesgewalt, sondern fehlender Möglichkeiten ist.“


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