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Channel: Mexiko – Drogen Macht Welt Schmerz
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Der „Internationale War on Drugs“ ist gescheitert – was nun?

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„Der sogenannte „War on Drugs“ […] hat es nicht geschafft, die Produktion, den Handel und den Konsum von und mit illegalen Drogen einzuschränken“, so fasst der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto die sich immer stärker ausbreitende, öffentliche Ansicht zusammen. Mehr als ein halbes Jahrhundert haben die Vereinten Nationen auf eine prohibitionistische Drogenpolitik gesetzt. Der Drogen-Sondergipfel der UN , der vom 19. April bis 21.April stattfand, eröffnete eine Chance für die Erarbeitung eines neuen, globalen Ansatzes der Drogenpolitik – diese Chance wurde aber nur in Teilen wahrgenommen.

Kolumbien, Guatemala und Mexiko beriefen den UN-Gipfel zum weiteren Vorgehen gegen Drogen ein – diese Länder bekommen die Härte der überwältigenden Kosten, der Korruption und der Gewalt, die sich aus dem repressiven Kampf gegen die Drogen ergaben, besonders deutlich zu spüren. 1961 definierten die Vereinten Nationen eine Liste mit international verbotenen Betäubungsmitteln wie Koka, Schlafmohn und Hanf und allen daraus abgeleiteten Drogen. Dieser Vertrag prägte nationale Gesetzgebungen weltweit. 1988 verpflichteten sich die Vereinten Nationen auf den gemeinsamen Kampf gegen die Herstellung und den Handel mit Drogen.

Die Idee des repressiven „War on Drugs“ wurde durch den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon 1971 ausgerufen. Auf einer Pressekonferenz bezeichnete er den Drogenmissbrauch als den Staatsfeind Nummer Eins der Vereinigten Staaten. Dieser Kampf gegen die Drogen beinhaltet neben der Kriminalisierung von Abhängigen auch militärische Maßnahmen gegen den Drogenhandel und -anbau. Tatsächlich wird der Gewinn für Drogenhändler aber durch eine repressive Vorgehensweise maximiert: Durch die geringere Verfügbarkeit und die bleibende, hohe Zahl der abhängigen Abnehmer kann der Preis immer weiter steigen.

„Der Krieg gegen die Drogen ist vielmehr ein Krieg gegen die Menschen“, so sieht es inzwischen der Friedensnobelpreisträger Kofi Annan. Er fordert eine Politik, die mehr den Menschen und dessen Gesundheit und Rechte als die Verteufelung einer Substanz im Blick hat. Beispielsweise haben in Kolumbien die militärischen Maßnahmen – finanziert von der USA – eine Spirale der Gewalt ausgelöst. Die Eradikationsbemühungen richteten sich außerdem hauptsächlich gegen Kleinbauern und verstärkten durch die Vergiftung der Böden auch deren Armut.

Der mexikanische Präsident will nun mehr auf Prävention und medizinische Versorgung als auf kompromisslose Prohibition setzen. Im Zuge dessen unterzeichnete er auch ein Dekret zur Legalisierung von Cannabis zur wissenschaftlichen und medizinischen Nutzung. Die militärische Vorgehensweise gegen den Drogenhandel hat in Mexiko allein in den letzen zehn Jahren über 100.000 Menschenleben gekostet.  Der militarisierte Kampf gegen die Drogen seines Vorgängers Calderón sorgte für einen Anstieg der Gewalt durch Drogenkartelle und Sicherheitskräfte, allerdings nicht für einen Rückgang des Drogenhandels.

Nicht jeder Konsum zieht eine Sucht nach sich. Sucht entsteht vielmehr aus bereits bestehenden, privaten Problemen, aus denen die Substanz einen vermeintlichen Ausweg darstellt. Mit der Möglichkeit, denjenigen, die ein Suchtproblem haben, ohne Kriminalisierung eine Ausstiegsmöglichkeit, beispielsweise in Form einer Therapie zu bieten, eröffnet sich eine Chance: Sie können am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Wenn Drogenkonsum dagegen zu Ausschluss aus der Gesellschaft führt, stärkt das die Kriminalität – national und global.

Menschen, nicht Substanzen, sollen im Fokus der globalen Drogenpolitik stehen. In Portugal zeigte ein solcher Ansatz beinahe ungesehen von der Weltöffentlichkeit bereits Erfolge. Dort wurde der Konsum von allen Drogen entkriminalisiert – die nationale Politik setzte es sich zum Ziel, das Drogenproblem durch eine wachsende Zahl von Heroinabhängigen aus einem gesundheitspolitischen Blickwinkel zu sehen. Es gilt: Wer Drogen nimmt, ist nicht kriminell, sondern krank. Das heißt, dass der Konsum und Erwerb von Drogen bis zu einer Höchstgrenze als Vergehen gegen die öffentliche Ordnung gilt – ein Gremium aus einem Rechtsexperten, einem Sozialarbeiter und einem Arzt entscheidet über das weitere Vorgehen. Wenn nötig, werden dann beispielsweise therapeutische Maßnahmen verordnet. Aufgrund dessen ging die Zahl der Drogentoten massiv zurück. Außerdem konnten erhebliche Kosten eingespart werden.

Allerdings ist es auch wichtig, die Situation in den Produktions- und Transitländern zu betrachten: Die ungehemmte Nachfrage nach illegalen Drogen bedienen Drogenkartelle. Für viele perspektivlose Jugendliche ist eine Mitarbeit in diesen kriminellen Strukturen die einzige Erwerbsmöglichkeit. Deshalb bleibt es für einen Kampf gegen die organisierte Kriminalität wichtig, ernsthafte Alternativen zu schaffen – zum Beispiel für Kleinbauern.

Die Herangehensweise an das Drogenproblem ändert sich global – allerdings sehr langsam. Beispielsweise ist der Iran bekannt für seine enorm repressive Drogenpolitik: Jedoch stehen im krassen Gegensatz zu der Anwendung der Todesstrafe für Drogenhändler auch progressive Therapiemaßnahmen für Süchtige. Sogar über eine Legalisierung von Cannabis wird debattiert.

2019 endet der internationale Vertrag der UN – die Zahl der Länder, die bis dahin offen sind für Alternativen zum repressiven War on Drugs, wird die Situation von Millionen Menschen weltweit beeinflussen.

Der kolumbianische Präsident stellte bei der UN-Sondersitzung diese Frage in die Runde: „Nachdem so viele Leben zerstört wurden, nach so viel Korruption und so viel Gewalt, nachdem so viele junge Menschen ins Gefängnis abgeführt wurden, können wir sagen dass wir den Krieg (gegen die Drogen) gewonnen haben, oder zumindest, dass wir ihn gewinnen werden?“ Leider ist die Antwort darauf ein klares „Nein.“


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