Wie stellt man sich die Anführer eines mexikanischen Drogenkartells vor? Das Klischee beinhaltet einige Elemente, die auf keinen Fall fehlen dürfen. Dazu zählen wohlgenährte Männer mit bösem Blick, Schmuck in Form von Uhren und Goldketten und vielleicht ein imposanter Schnauzbart. Es gibt allerdings auch Ausnahmen, die dieses Klischee in jeder Form widerlegen. Eine davon ist die Chefin des Tijuana Kartells. Enedina Arellano Félix führt das Kartell seit einigen Jahren. Zwar schwand mit der Zeit der Einfluss der Gruppe, es gehört aber immer noch zu den einflussreichsten kriminellen Organisationen in Mexiko.
Enedina Arellano Félix wird in Mexiko oft „La Jefa“, also die Chefin, genannt. Auch Narcomami ist einer ihrer Spitznamen. Ansonsten ist nicht viel über die 54jährige bekannt. Sie zeigt sich so gut wie nicht in der Öffentlichkeit und Fotos sind – wenn überhaupt – nur einem kleinen Kreis von Personen zugänglich. Das bekannteste Bild von ihr stammt noch aus den 80er Jahren und zeigt die Familie der Drogenchefin. Sie wird gerne als Drogenboss der alten Schule bezeichnet. Im Gegensatz zu einem Großteil der neueren Kartelle protzen Mitglieder des Tijuana Kartells nicht in sozialen Netzwerken mit ihrem Reichtum oder ihren Waffen. Sie ziehen es vor, im Hintergrund ihre Geschäfte zu verrichten, schrecken aber keinesfalls vor Gewalt oder Mord zurück, wenn ihre Interessen bedroht sind.
Das Tijuana Kartell ging aus dem berüchtigten Guadalajara Kartell hervor, als dessen Chef festgenommen wurde. Es entwickelte sich in den 90er Jahren zu dem mit Abstand einflussreichsten und skrupellosesten Kartell Mexikos. Nach Machtkämpfen mit anderen aufstrebenden Kartellen und zahlreichen Festnahmen der Führungsriege der Organisation, die aus Brüdern und dem Sohn von Enedina Arellano Félix bestand, verlor die Gruppe massiv an Einfluss. Da immer mehr Familienmitglieder aus dem Verkehr gezogen wurden, war es Enedina möglich, in der Hierarchie des Kartells nach oben zu klettern. Als ihr Sohn, Fernando Sánchez, den Chefposten aufgrund einer Verhaftung räumen musste, wurde Enedina schließlich alleinige Chefin des Kartells.
Auch wenn sie bisher eher eine Ausnahme darstellt, drängen inzwischen immer mehr Frauen in die Drogenkartelle, und besetzen auch höhere Posten. Früher galten Frauen in Kartellen nur als Dekoration oder dienten zum Stillen der Bedürfnisse männlicher Mitglieder. Doch nachdem die Banden das Potential der Frauen sowohl als Schmugglerinnen, sowie auch als Kämpferinnen erkannt hatten, stieg die Zahl der Frauen, die inzwischen aktiv in den Kartellen mitwirken. Für Frauen aus armen Verhältnissen, die normalerweise keinerlei Aufstiegschancen in der Gesellschaft haben, ist eine Karriere im organisierten Verbrechen durchaus reizvoll. Dieser Reiz wird durch ihre Vorbilder weiter verstärkt. Zwar hält sich Enedina Arellano Félix stets im Hintergrund, doch ihr Ruf brachte ihr viel Anerkennung. Stärker dürfte allerdings die Wirkung anderer Frauen sein, die sich nicht so stark im Hintergrund halten. Ein gutes Beispiel hierfür gibt Claudia Ochoa Félix ab. Sie wird auch die „Kim Kardashian der Drogen“ genannt. Dieser Ruf kommt einerseits durch das ähnliche Aussehen, andererseits durch die Art, wie sie sich in sozialen Netzwerken selbst inszeniert. Mal posiert sie mit ihrer pinken Kalaschnikow, ein anderes Mal im knappen Bikini mit teurem Schmuck oder edlen High Heels. Außerdem wird ihr großer Einfluss und viel Macht zugeschrieben. Dieses Gesamtbild kann anziehend und nachahmbar wirken. Dass auf dem Weg zu dieser Position unzählige Menschen ihr Leben verlieren, weil man buchstäblich über Leichen gehen muss, und die steigende Gefahr, dass man früher oder später selbst Opfer dieser Gewalt wird , sehen viele der Anwerberinnen nicht, oder wollen es nicht sehen.