Jose Hernandez erntet Marihuana, seit er 15 ist. Lange Zeit war der Verkauf von Cannabis an die Drogenkartelle für Kleinbauern wie Jose die einzige Möglichkeit, einen sicheren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der legale Anbau in den USA gefährdet diese Einnahmequelle allerdings zunehmend. Durch die Legalisierung in vielen Bundesstaaten wird die US-Nachfrage direkt aus dem nordamerikanischem Anbau bedient – mit verheerenden Veränderungen auf die Preisentwicklung des mexikanischen Cannabis. Für die Drogenkartelle ist das ein herber Rückschlag. Auch die Bauern suchen nun händeringend nach einer profitablen Alternative.
Die Legalisierung von Cannabis zumindest zu medizinischen Zwecken in inzwischen 23 US-Bundesstaaten schwächt die Profite der mexikanischen Drogenkartelle enorm: 2012 stammten nach einer Studie des IMCO ( Mexican Institute for Competitiveness) noch etwa 40 bis 70 Prozent des Marihuanas in den Vereinigten Staaten aus Mexiko. Der Profit für die Kartelle wurde mit zwei Milliarden Dollar jährlich fast so hoch wie der Gewinn aus dem Kokainhandel geschätzt. Für das Sinaloa-Kartell könnte die US-Legalisierung demnach sogar eine Einbuße von fast der Hälfte der bisherigen Einnahmen bedeuten.
Die Cannabis-Beschlagnahmungen an der Grenze zu Mexiko sinken rapide – 2014 wurde fast 24 Prozent weniger Marihuana aufgegriffen als im Jahr davor. Wegen der geringeren Transportkosten, der leichteren Beschaffung und der oftmalig höheren Qualität lohnt es sich, Marihuana aus dem lokalen US-Anbau statt aus Mexiko zu beziehen. Damit liefert die Legalisierung einen signifikanten Erfolg und eine mögliche Alternative zu der vormalig aggressiven Herangehensweise der US-Regierungen im Kampf gegen den Drogenhandel. Der Macht der Kartelle tat der War on Drugs, der den Drogenhandel mit militärischen Mitteln unterbinden soll, keinen Abbruch. Allerdings verschärfte er die Gewalt: Allein im letzten Jahrzehnt wurden im Zuge des Drogenkriegs etwa 80.000 Menschen getötet.
Trotzdem bedeutet auch ein Rückgang der Cannabis-Beschlagnahmungen kein Ende des illegalen Drogenhandels. Der Gewinn aus dem Handel mit Kokain aus Südamerika in die USA bleibt für die mexikanischen Kartelle enorm. Die Verluste im Handel mit Cannabis werden durch einen verstärkten Fokus auf die Heroin- und Methproduktion ausgeglichen – das betrifft auch die Kleinbauern. Einige ehemalige Cannabisfarmer steigen nun auf den Schlafmohnanbau um.
Für arme Bauern ist der Drogenanbau oft die einzige Möglichkeit, ihre Familie zu ernähren: Lange Transportwege und fehlende Infrastruktur erschweren den Handel von anderen Agrarprodukten wie beispielweise Avocado. Für den Anbau von Cannabis oder Schlafmohn werden die Bauern zwar von den Kartellen ausgebeutet, können aber wenigstens auf eine gesicherte Abnahme ihrer Produkte vertrauen. Viele der Bauern fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen.
Doch gerade das Vakuum, das für viele ehemalige Cannabisfarmer entsteht, könnte auch eine Chance sein: In der kleinen Stadt Badiraguato im Bundesstaat Sinaloa, in der etwa die Hälfte der Bewohner vom Marihuana-Anbau abhängig ist, investiert der Bürgermeister nun in den biologischen Obst- und Gemüseanbau. Er will durch finanzielle Förderungen Bauern unterstützen, auf herkömmliche Agrarprodukte wie Kürbisse umzusteigen. Dies könnte die lokale Wirtschaft stärken und langfristig den Bauern zu mehr Selbstbestimmung verhelfen, da sie nicht mehr von den Drogenkartellen abhängig wären. Wenn statt den Kartellen also die mexikanische Regierung die Chance ergreift, den Bauern eine Perspektive zu bieten, kann dies langfristig einen positiven Effekt auf die gesamtwirtschaftliche und soziale Situation des Landes erzielen.