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Channel: Mexiko – Drogen Macht Welt Schmerz
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Wird die dritte Festnahme El Chapos die Narco-Industrie verändern?

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Joaquín Guzmán, alias El Chapo, einer der meistgesuchtesten und einflussreichsten Drogenbosse, wurde am 8. Januar 2016 zum dritten Mal gefasst. Mit dem Tweet „Mission accomplished“ verkündete der mexikanische Regierungspräsident Peña Nieto die Festnahme des Drogenbosses. Offenbar brachte ein Interview, das der US-Schauspieler Sean Penn mit dem Kopf des Sinaloa-Kartells führte, die Behörden zu El Chapos Standort. Sean Penn erntete harsche Kritik seitens der USA, da er mit dem Interview einem Mörder eine mediale Plattform gegeben hatte. Die mexikanische Regierung erwägt, rechtliche Schritte gegen ihn einzuleiten. Die Festnahme El Chapos wird dagegen als großer Erfolg und als Schlag gegen das einflussreiche Sinaloa-Drogenkartell gewertet. Aber was bedeutet die Verhaftung Guzmáns effektiv für das Land, das sich seit Jahren in einem blutigen Drogenkrieg befindet?

Joaquin Guzmán ist neben zwei weiteren, El Mayo und El Azul, der Repräsentant und Führer des Sinaloa-Kartells.  Der Machtbereich des Drogenkartells ist enorm: Mutmaßlich reicht dessen Einfluss in fast jede Großstadt der USA und Lateinamerikas. Das Kartell ist eine der bedeutendsten Organisationen im weltweiten Drogenhandel. Guzmán hat durch seine zweimalige Flucht aus mexikanischen Gefängnissen und die zahlreichen, gescheiterten Versuche, ihn zu verhaften, einen gewissen Legendenstatus erlangt. Zeitweise organisierte er den Drogenhandel auch aus dem Gefängnis heraus.  Dies lässt auf Verflechtungen zwischen mexikanischen Offiziellen und der Drogenkartelle sowie enorme Anfälligkeit für Korruption schließen. 2014 galt Guzmán als größter Drogenhändler weltweit und war einer der meistgesuchtesten Kriminellen. Die Erträge aus dem Drogenhandel für das Sinaloa-Kartell sind immens.

In Mexiko werden jedes Jahr tausende Menschen sowohl durch konkurrierende Drogenkartelle als auch durch Regierungskräfte getötet. Im blutigen Drogenkrieg sind seit 2006 bereits 80.000 Menschen ermordet worden.  Ein Teil der Morde geschieht wohl in Guzmáns Verantwortung – und somit gleichzeitig in Verantwortung des Sinaloa-Kartells.  Zweifellos ist Joaquín Guzmán kein Mensch, der Gewalt nur aus purer Notwehr gebraucht, wie er in dem Interview mit Sean Penn nahelegt. Trotzdem ist es eine naive Hoffnung, dass allein mit seiner Festnahme die Gewalt des Drogenkrieges und der Drogenhandel eingedämmt würden.

Die Festnahme hat vor allem hohen Symbolcharakter und trägt somit möglicherweise hauptsächlich zur Glaubwürdigkeit des mexikanischen Präsidenten bei. Dieser geriet infolge der Flucht El Chapos aus dem Gefängnis, dem unaufgeklärten Verschwinden von 43 Studenten in Iguala und dem enormen Verfall des Peso in Bedrängnis. Die Erfolgsmeldung der Ergreifung Guzmáns spielt ihm somit in die Hände. „Mexiko ist stolz auf seine Institutionen“, schloss der Staatschef seine fünfminütige Ansprache an die Bevölkerung, die er nach der Festnahme El Chapos hielt. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Festnahme des Drogenbosses eine Machteinbuße der Drogenkartelle bedeutet.

Obwohl Guzmán der öffentlichkeitswirksame Strippenzieher des Kartells ist, sind die Strukturen des Sinaloa-Kartells in sich stabil und können auch ohne ihn weiter existieren. Der Fortschritt des Kartells ist nicht von einer einzigen Person abhängig. Selbst wenn sich ein Konkurrenzkampf zwischen Individuen des Kartells entwickeln würde und das tatsächlich eine Zerrüttung des Sinaloa-Kartells ergäbe, würden in dieses Machtvakuum andere kriminelle Organisationen treten. Es ist nicht damit zu rechnen, dass dies ohne Gewalt geschieht.

Auch die USA feiern die Ergreifung El Chapos – und fordern eine schnelle Auslieferung. Joaquín Guzmán müsste sich in den USA wegen mindestens sieben Anklagen wegen Mordes, Entführung, Geldwäsche und Drogenhandel verantworten. Während Mexiko sich bei der Festnahme Guzmáns 2014 strikt weigerte, ihn an die USA auszuliefern, wird die Auslieferung nun wahrscheinlicher. Allerdings haben Guzmáns Anwälte bereits Berufung eingelegt. Es besteht die Hoffnung, dass Guzmán bei einer Auslieferung wertvolle Informationen über korrupte Strukturen, die die Drogenkartelle begünstigen, preisgeben könnte. Das Angehen dieser Strukturen könnte die Drogenkartelle tatsächlich nachhaltig schwächen.

Organisierte Kriminalität kann besser dort entstehen und gedeihen, wo Polizei, Richter und Politiker anfällig für Korruption sind. Somit wird der gesamte Rechtsstaat unterwandert und verliert an Glaubwürdigkeit. Fehlende Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten vor allem in ländlichen Regionen machen Teile der Bevölkerung anfällig für die Kooperation mit den Drogenkartellen.

Ein weiteres Problem stellt die hohe Nachfrage nach Drogen dar, die nur durch kriminelle Organisationen bedient werden kann. Durch die ungebrochene Nachfrage nach illegalen Drogen in den USA und Europa bleibt die Macht der Drogenkartelle ungeschwächt. Solange es diese Nachfrage gibt, wird es auch Organisationen geben, die diese bedienen – mit all ihren Konsequenzen. Somit werden nach Joaquin Guzmán andere in seine Fußstapfen treten.

El Chapo selber ist sich sicher, dass die Narco-Industrie auch ohne ihn wie gehabt weiterlaufen wird – diese sehr nüchterne Erklärung lässt zweifeln, ob seine Festnahme einen wahren Erfolg darstellt.


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