Systematische Folter und Tötungen in Mexiko – diese werden nicht nur durch Drogenkartelle vollzogen, auch der Sicherheitsapparat der mexikanischen Polizei wird immer wieder mit Gewalttaten in Verbindung gebracht. Der Ruf der mexikanischen Polizei ist sehr schlecht: Sie gilt als korrupt und leicht bestechlich, außerdem werden Zusammenarbeit und Verflechtungen mit den Drogenkartellen angeprangert. Deshalb geht das Vertrauen der Mexikaner in die Polizei gegen Null. Nachdem die Verwicklung von Sicherheitskräften in die Entführung von 43 Studenten in Iguala 2014 einen medialen Aufschrei verursachte, sah sich der derzeitige Präsident Peña Nieto zum Handeln gezwungen. Dafür sollen Polizisten nach einem neuen Vorschlag mit einem GPS-System ausgestattet werden.
Mit einer Reihe von Maßnahmen sollen Verdächtigte und Zivilsten besser gegen Gewalt durch die Sicherheitskräfte geschützt werden. Darunter fallen auch unangekündigte Kontrollen in Gefängnissen und Verhörzellen. Kritiker bemängeln, dass die Bestrebungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zwar löblich seien, allerdings das Kernproblem unberührt lassen. Außerdem sei es für die Polizisten durch die vorherrschende Korruption in allen Behörden leicht, diesen Kontrollmechanismus zu umgehen. Der finanzielle Aufwand stehe in keiner Relation zu dem zu erwartenden Effekt.
Seit Präsident Calderon 2006 sein Amt antrat und den War on Drugs ausrief, sind in Mexiko mehr als 70.000 Menschen ums Leben gekommen. 26.000 werden vermisst. Das Erstarken der Drogenkartelle stellte die Regierungsfähigkeit des Landes in Frage. Um die vorherrschende Korruption, den Drogenhandel und den zunehmenden Machtgewinn der Drogenkartelle zu bekämpfen, setzte Calderon unter dem Druck seiner Legitimation auf einen militärischen Antidrogenkampf – mit Unterstützung der USA.
Infolgedessen stieg die Bereitschaft zur Gewaltanwendung bei den Drogenkartellen. Durch die Priorität der Bekämpfung des Drogenhandels wurden der Polizei und dem Militär immer mehr Berechtigungen zugesprochen. Dadurch geriet auch die Zivilbevölkerung immer stärker ins Kreuzfeuer in dem Klima der Gewalt, die zwischen den Sicherheitskräften und den Kartellen entstand. Die Annahme, dass ein hartes Durchgreifen das einzige Mittel sei, sich gegen die Drogenkartelle zu behaupten und somit auch die Macht der Regierung zu stärken, förderte letztendlich eine Spirale der Gewalt von beiden Seiten. Weil dringend Erfolge im Kampf gegen den Drogenhandel nötig waren, häuften sich außergerichtliche Wohnungsdurchsuchungen und Festnahmen sowie Folterungen und Tötungen.
Viele Polizisten lassen sich auch von den Drogenkartellen bestechen. Dabei bleibt ihnen oft kaum eine Wahl: Entweder sie erhalten einen relativ hohen Geldbetrag in Anbetracht der niedrigen Löhne, um das Vorgehen der Drogenkartelle nicht zu stören, oder sie werden aus dem Weg geräumt. Das ergibt ein strukturelles Problem der Korruption.
Das erklärt das fehlende Vertrauen der Mexikaner in die Sicherheitskräfte: Etwa 70 Prozent misstrauen der Polizei. Viele gründen daher Bürgerwehren, um sich selbst gegen die kriminellen Organisationen zu schützen. Die massive Aufrüstung der Zivilbevölkerung birgt aber erhebliche Gefahren. So kann eine schwer bewaffnete, neu gebildete Institution ohne staatliche Kontrolle auch schnell gegenteilig den Interessen der lokalen Bevölkerung handeln.
Die Unfähigkeit, die Todesfälle der 43 Studenten aufzuklären, machen exemplarisch deutlich, wie das Misstrauen der Bevölkerung entsteht. Dadurch werden auch nur etwa 12 Prozent der Vorfälle zur Anzeige gebracht. Dieses Misstrauen und die enorme Machtposition, die die Sicherheitskräfte inne haben, erschweren eine lückenlose Aufklärung oft deutlich. Diese wäre aber enorm wichtig, um die Rechtsstaatlichkeit zu wahren.
„Es gibt keine Gerechtigkeit, solange es Gruppen von Menschen gibt, die tun und lassen können, was immer sie wollen, ohne sich vor der Justiz verantworten zu müssen“, so Francisco Dall’Anese, Chef der CICIG. Die Bestrebungen der Regierung, gegen die Korruption und Gewalt unter den Sicherheitskräften vorzugehen, sind löblich – allerdings wären reelle Lösungsansätze statt kurzfristiger Schnellschüsse zur Beruhigung der öffentlichen Meinung wünschenswert.