Redet man heute über Sklaverei, denken die meisten Menschen an ein historisches Problem, das höchstens noch in Filmen wie „12 Years a Slave“ relevant, aber sonst nicht mehr aktuell ist. Doch Sklaverei gibt es heute noch. Und zwar im großen Stil. Sie äußert sich beispielsweise in Form von Zwangsarbeit, Menschenhandel oder illegaler Prostitution. Die Opfer müssen ihre Bewegungsfreiheit aufgeben und sich gegen ihren Willen als Soldaten, Arbeiter oder für den Sexhandel bereitstellen. Dieser lukrative Wirtschaftszweig wird größtenteils von Kartellen oder organisierten Verbrecherbanden betrieben – genau von denjenigen, die auch die Drogenwirtschaft kontrollieren. Aufgrund des Mangels an staatlicher und internationaler Kontrolle können Kartelle ihre Netzwerke sowohl für den Rauschgift- als auch den Menschenhandel nutzen. Das zahlt sich aus. Laut Eric Olsen, einem Experten am Woodrow Wilson Center, ist das Schmuggeln von Personen die zweitgrößte Einnahmequelle von organisierten Banden in Mittelamerika. Noch profitabler ist nur der Drogenhandel selbst.
Aber wie gravierend ist das Problem des Menschenhandels wirklich? Die Walk Free Foundation veröffentlichte kürzlich den „2016 Global Slavery Index“, einen Bericht über Personen in sklavenähnlichen Verhältnissen in Lateinamerika. Darin wird die Anzahl an versklavten Menschen in den amerikanischen Ländern auf 2,2 Millionen geschätzt. Die höchsten Zahlen weisen Mexiko und Kolumbien auf, den größten Prozentsatz Haiti und die Dominikanische Republik. In Mexiko werden zusätzlich zu den bekannten Zahlen noch zehntausende Menschen in Camps vermutet, die von Kartellen kontrolliert werden. In der Dominikanischen Republik ist Zwangsprostitution in der Tourismusbranche inzwischen fest verankert. Ungefähr 25 Prozent aller dortigen Fälle von sexueller Ausbeutung betreffen Touristen. Und in Ländern wie Kolumbien, Mexiko und der Dominikanischen Republik werden staatliche Institutionen beschuldigt, sowohl in den Menschenschmuggel als auch den Drogenhandel involviert zu sein. Besonders häufige Opfer des Menschenhandels sind Frauen und Kinder. Während Jungen harte körperliche Arbeiten leisten müssen oder in Kämpfen eingesetzt werden, enden die Mädchen und Frauen überwiegend in der Zwangsprostitution außerhalb ihres Herkunftslandes.
Doch wie geht man gegen Menschenschmuggler vor? Argentinien betreibt seit 2008 ein striktes Programm in der Verfolgung von Schmugglern. Nach Informationen des argentinischen Justizministeriums wurden seit 2008 mehr als 10 000 Opfer gerettet. 48 Prozent der befreiten Personen wurden für den Sexhandel missbraucht. Zusätzlich zu Kontrollen und polizeilichen Einsätzen hat der Staat eine Hotline für Tipps oder Hilferufe eingerichtet. Diese wurde zwischen Januar und August 2016 bereits 1605 Mal genutzt. Im Rahmen dieses Programmes stieg die Zahl an befreiten Personen seit 2008 jährlich. Ob die Maßnahmen ausreichend sind, ist jedoch strittig. Die mehr als 10 000 Menschen sind laut Kritikern nur ein kleiner Teil der Menschen, die in Argentinien vermutlich versklavt sind. Für eine endgültige Lösung bräuchte es strukturelle Veränderungen. Die Drogenökonomie, der Menschenhandel und die Zwangsprostitution hängen eng zusammen. Der Handel mit Rauschgiften gibt den Kartellen viel Macht, die sie wiederum für das Schmuggeln von Personen verwenden können. Letztendlich kann nicht ein Problem separat bekämpft werden.