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Mexiko: Unzählige Drogentunnel in die USA

Es sieht aus wie in einem Film: Ein 524 Meter langer Tunnel, drei Meter breit und 1,2 Meter hoch. Sieben Meter unter der Erdoberfläche, ausgestattet mit Licht, einem Belüftungssystem und sogar Schienen. Den unterirdischen Gang entdeckten mexikanische Behörden in Tijuana, nur 301 Meter von der US-mexikanischen Grenze entfernt. Über diesen Tunnel wurden Drogen wie Kokain oder Marihuana von Tijuana nach San Diego in Kalifornien geschmuggelt, bestätigte das US Department of Homeland Security Immigration and Customs Enforcement.

Entlang der US-mexikanischen Grenze wurden in den letzten fünf Jahren mehr als 75 Tunnel gefunden, über die Drogen nach Arizona und Kalifornien geschmuggelt wurden. Erst im April 2016 entdeckten mexikanische Behörden einen 731 Meter langen Gang in Tijuana, in dem mehr als eine Tonne Kokain und sieben Tonnen Marihuana beschlagnahmt wurden. Als Drahtzieher wird das Sinaloa-Kartell verdächtigt, welches das Bodengebiet von Tijuana seit 2000 dominiert. Für eine Überführung fehlt es allerdings an Beweisen.

Tijuana ist aufgrund seiner Nähe zu den USA ein wichtiger Stützpunkt für den Drogenschmuggel und dementsprechend von Kartellen hart umkämpft. Die Gegend bietet sich für unterirdische Schmuggelrouten logistisch und geographisch an. Die Stadt liegt unmittelbar an der US-mexikanischen Grenze und ist mit seinen unzähligen Lagerhäusern, Bauarbeiten und dem starken Verkehr extrem unübersichtlich. Zudem besteht der Boden aus einem Tongemisch, das stabil und für Tunnel geeignet ist, und vor Radarsystemen schützt.

Die Drogentunnel sind ein weiterer Faktor im mexikanischen Rauschmittelkrieg, unter dem die Bevölkerung bereits jahrzehntelang zu leiden hat. Seit der ehemalige Präsident Felipe Calderón den Drogenhändlern 2006 den „Krieg“ erklärte und militärisch gegen den Schmuggel vorging, sind die Todesraten extrem gestiegen – zehn Jahre später liegen die Schätzungen insgesamt bei ungefähr 150.000 Toten und 28.000 Vermissten. Durch das harte Vorgehen der Bürgerwehren, des Militärs und der Drogenkartelle ist es inzwischen schwer zu sagen, wen die Zivilisten am meisten fürchten.

Das Problem ist: Der unter Calderón praktizierte „War on Drugs“ schränkt den Export in die USA nicht ein. Täglich fließen Drogen in die Staaten, um der enormen Nachfrage nachzukommen. Im Austausch liefern US-amerikanische Händler Waffen nach Mexiko, mit denen sich Drogenbanden und Kartelle ausstatten. Diese Waffen ermöglichen erst die Straßenkämpfe. Im Juni und August 2016 soll es fast 4.000 Morde in Verbindung mit dem Drogenhandel gegeben haben. Die Menschen leiden unter der ständigen Gewalt zwischen den Fronten der Drogenkartelle und dem Militär.

Trotzdem arbeiten hunderttausende Menschen im Drogenschmuggel. Warum? Weil es lukrativ und häufig die einzige Möglichkeit zu „Wohlstand“ ist. Drogen und Drogenhandel sind ein soziales, kulturelles, wirtschaftliches und gesundheitliches Phänomen: Sowohl Unsicherheiten über Zukunftschancen, soziale Unterdrückung als auch die hohe Arbeitslosenquote drängen Menschen in den Drogenschmuggel. Die damit verbundene Stärkung der Kartelle und ihres Handels verdrängt andere Wirtschaftszweige, schwächt die Ökonomie, sorgt für Abhängigkeiten und macht das Land instabiler. Profit erlangen nur wenige Drahtzieher, die Anbauer und Drogenkuriere dagegen gehören zu den ärmsten Menschen in der Produktions- und Lieferkette.

Die Drogentunnel sind ein Beweis, wie der Konsum in Zielländern mit der Produktion, dem Handel und den damit verbundenen Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen in den Herstellungs- und Transitländern zusammenhängt. Die Verbindung, sei es real oder symbolisch, muss im Kampf gegen den Drogenhandel berücksichtigt werden. Denn solange die Nachfrage bestehen bleibt, wird es weiterhin Zulieferanten geben.


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