In den USA wird im Zusammenhang mit Opioiden schon lange von einer Epidemie gesprochen. Das Problem ist dabei kein neues, sondern schon lange bekannt. Ungefähr seit den 80er Jahren sind schnell abhängig machende Opiate auf dem Vormarsch. Der Unterschied zum jetzigen Zeitpunkt ist, dass dieses Mal alle gesellschaftlichen Schichten betroffen sind und nicht nur Menschen, die allgemeinhin als sozial abgehängt gelten. Im Jahr 2016 sollen nach der New York Times bis zu 59.000 Menschen an einer Überdosis gestorben sein. Im Vorjahr soll dieselbe Ursache etwa 52.000 Menschen das Leben gekostet haben. Sollten diese Zahlen stimmen, wäre das der bisher stärkste Anstieg in dieser tragischen Statistik. Die Opioid-Krise in den USA zählt damit zu der häufigsten Todesursache für Menschen unter 50 Jahren und stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die amerikanische Gesellschaft dar.
Der Ursprung des Desasters scheint für die meisten Leute eindeutig: Big Pharma. Die Pharma-Lobby soll durch unaufhörliche Arbeit ihre Produkte auf den Markt gedrängt haben. Zunächst seien die schweren Opiate nur selten verschrieben worden sein. Ursprünglich wurden die Medikamente nur bei akuten und kurzfristigen Schmerzen herausgegeben. Das habe sich zunehmend geändert. Von den Ärzten werden die rezeptpflichtigen Mittel leichtfertig ausgestellt. Patienten und ihre Angehörigen nehmen sie häufig leichtsinnig und über einen längeren Zeitraum ein. Mitverantwortlich für die vermehrte Ausbreitung und die stärkere Wirkung der Mittel sind aber nicht nur die Ärzte. Auch die illegale Drogenwirtschaft trägt ihren Teil zu der erklärten Epidemie bei. Namentlich gilt das Mittel Fentanyl als besonders gefährlich. Es ist ein synthetisches Opiat und wirkt um ein Vielfaches stärker als Heroin. Es ist legal und rezeptpflichtig. Es soll bei besonders starken Schmerzen helfen und wird im Regelfall bei fortgeschrittenen Schmerzpatienten eingesetzt. Drogenkartelle haben den Markt für diese Droge entdeckt. Der Missbrauch von Fentanyl endet aufgrund der Stärke seiner Wirkung nicht selten tödlich und macht schnell extrem abhängig.
Das synthetische Opioid Fentanyl birgt dabei zurzeit das größte Risiko in den aktuellen Statistiken. Der Marktpreis für ein Kilogramm Heroin liegt bei 65.000 Dollar, der Preis für dieselbe Menge Fentanyl liegt bei 3.500 Dollar. Das erklärt, warum Heroin auf der Straße oft mit der Substanz gestreckt wird. Auch wenn das Opioid legal von Ärzten vergeben werden kann, bildet die illegale Beschaffung ein großes Problem. Besonders junge Menschen neigen, bei einer Abhängigkeit, dazu sich dem Schwarzmarkt zuzuwenden und fördern so die Nachfrage. Die Herkunft der illegalen Mittel kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Im Mai dieses Jahres fand in Mexiko zum ersten Mal eine Konferenz statt, die sich hauptsächlich mit der illegalen Verbreitung von Fentanyl auseinandersetzte. Die illegale Substanz wird vermutlich von Mexiko aus auf den lukrativeren US-Markt geschmuggelt. Die Experten sind sich allerdings nicht einig darüber, ob das zentralamerikanische Land auch den Löwenanteil der Produktion trägt. Man vermutet, dass der größte Teil des Mittels in China hergestellt wird. Über kriminelle Netzwerke kommt es nach Mexiko oder Kanada und wird von dort weitergeschmuggelt. Die Strafverfolgung befasst sich erst seit kurzer Zeit mit dieser neuen Droge und die Fortschritte stehen folglich noch in den Kinderschuhen. Mexiko gilt den Experten als das wichtigste Transitland für die illegale Einfuhr in die USA.
Währenddessen hat der US-Bundesstaat Ohio eine Klage gegen mehrere Pharmafirmen vorbereitet. Die Begründung der Anklage sind Millionen Marketing-Kampagnen der Firmen, die die helfende Wirkung bei chronischen Schmerzen übertreiben und die Risiken der Medikamente verharmlosen. Es gibt ähnliche Anklagen in den Bundesstaaten Ohio, Washington, New York, Illinois, Mississippi und Kalifornien. Dr. Andrew Kolodny, Geschäftsführer der Organisation „Physicians for Responsible Opioid Prescribing“, sagt in einem Interview mit Democracy Now, dass zwei verschiedene Gruppen von der Epidemie betroffen sind. Die Gruppen unterscheiden sich im Alter. Die ältere Gruppe ist zwischen 40 und 80 Jahre alt. Diese Gruppe ist abhängig von legalen, verschreibungspflichtigen Opiaten gegen Schmerzen. Wenn in dieser Gruppe jemand an einer Überdosis stirbt, dann meistens an verschriebenen Medikamenten. Die jüngere Gruppe ist die der Anfang 20-Jährigen. Sie werden von Behandlungen abhängig, haben jedoch im Nachgang zur ärztlichen Behandlung Probleme damit sich weiterhin Medikamente verschreiben zu lassen. Kolodny erklärt das so: Ärzte seien bei jungen, fit aussehenden Menschen eher dazu geneigt, von einer weiteren Verschreibung der Medikamente abzusehen. Durch die vorhandene Sucht wenden sich die Jüngeren dann dem illegalen Markt zu und landen bei Mitteln wie Heroin. Er beschreibt weiter: Der heftige Anstieg an Drogentoten sei damit zu erklären, dass es immer leichter sei an Heroin zu kommen. Dem Heroin werde oft Fentanyl beigemischt, welches so stark wirkt, dass es oft tödlich ende. Die Opioid-Krise in den USA ist deshalb so verheerend, weil sie droht, eine junge Generation aus den Bahnen zu werfen. Ashish Jha, eine Professorin an der Harvard School of Public Health, sagt: “Diese Menschen sind in den produktivsten Jahren ihres Lebens. Den Jahren, in denen sie Kinder zeugen und die Vorbilder für die kommende Generation werden sollten.“