Venezuela befindet sich schon seit Monaten in einer massiven Staatskrise. Das Volk leidet unter dem Mangel, den der Staat mittlerweile verwaltet. Das einst reiche Land krankt an einer Hyperinflation. Dies macht es für Venezolaner schwer, den täglichen Bedarf an Essen zu erhalten. Eine nationale Studie ergab, dass 75 Prozent der Bevölkerung wegen Nahrungsmittelknappheit 19 Pfund an Gewicht verloren haben. Noch deutlicher wird ein Blick auf das Gesundheitssystem. Die zuständige Ministerin hat Daten veröffentlicht, die die Misere belegen. Demnach sollen 98 Prozent der benötigten Medikamente nicht vorrätig sein, 85 von 100 sind überhaupt nicht mehr zu erhalten. Die Konsequenzen äußern sich dramatisch: 11.500 Säuglinge sterben vor ihrem ersten Geburtstag und die Mortalität von Müttern ist um 65 Prozent gestiegen. Die Fälle von Malaria sind um 76 Prozent angestiegen und Diphterie, eine Krankheit, die in Venezuela als gebannt galt, tritt wieder vermehrt auf. Nachdem die Gesundheitsministerin diese Daten veröffentlichte, wurde sie von Präsident Maduro gefeuert. Die Entwicklungen in Venezuela werden mit wachsendem Unmut gesehen, da insbesondere Drogenbanden von einem schwachen Staat profitieren. Venezuela ist einer der wichtigsten Transitpunkte für den internationalen Drogenhandel. Gangs arbeiten sich bis in hohe Regierungskreise vor, um möglichst profitabel zu sein. Die Festnahme eines Drogenschmugglers in Kolumbien, der Drogen über Venezuela nach Zentralamerika brachte, zeigt eindrucksvoll, wie wichtig das Land in diesem Zusammenhang ist. Ein potenzielles Chaos, mit einem schwindenden Staat und einem in Armut lebendem Volk wird das Problem größer werden lassen. Die Verhaftung von Antonio José Meléndez Suárez, einem sehr wichtigen Drogenschmuggler, dessen Rolle im Drogenschmuggel nicht ganz klar scheint. Es gibt mehrere Behauptungen darüber, wer sein Arbeitgeber ist: Manche sagen, er arbeite als Verbindung zwischen dem mexikanischen Sinaloa Kartell und den kolumbianischen Urabeños, andere sagen, er arbeite für das Sinaloa-Kartell und betreibt Drogenschmuggel über den Luftweg. Das zeigt die drohende Gefahr Venezuelas, zu einem Narko-Staat zu werden.
Besonders in den USA wird Venezuela als ein Land gesehen, welches zusehends zu einem gefährlichen Umschlagplatz für Kokain vor der eigenen Haustüre werden könnte. Die schwächelnden staatlichen Institutionen und ihr Personal landen regelmäßig in den Schlagzeilen der heimischen Medien. Die Vorwürfe sind erschütternd. Den Beamten wird vorgeworfen, teilweise Drogen in Militärfahrzeugen zu transportieren. Sie halten den Luftraum für Schmuggel frei und sie organisieren den illegalen Transport von Benzin nach Kolumbien. Diese Berichte sorgen dafür, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die Sicherheitsbehörden fassen kann. Auch die aktuelle Staatskrise feuert das Misstrauen gegen die Regierung an. 2009 veröffentlichte der Innenminister des Landes eine Statistik, die belegt, dass 20 Prozent der Straftaten in dem Land von der Polizei begangen werden. Das Gefühl der Menschen ist: Es müssen mehr Straftaten geworden sein. Eine solche Entwicklung lässt sich allerdings nicht mit Zahlen untermauern.
Die New York Times schreibt in ihrem Artikel, dass es Zeit werde, über eine Intervention in dem Land nachzudenken. Eine mögliche Begründung für ein solches Vorgehen wäre die von den UN verabschiedete Regelung der „Responsibility to Protect“ – zu Deutsch: Schutzverantwortung. Sollte eine Regierung nicht der Verantwortung nachkommen, für das Wohlergehen ihres eigenen Volkes sorgen zu können oder gar zu wollen, sieht die Schutzverantwortung vor, dass diese an die Vereinten Nationen übergeht. Eine Umsetzung dieses Regelwerks unterliegt klassischerweise strengen Regeln. So müsste bewiesen werden, dass Hilfe von staatlicher Seite nicht geleistet werden kann und externe Hilfsleistungen sogar behindert werden. Sollte die Verantwortung für die Bevölkerung an die internationale Gemeinschaft übergehen, ist dies ein massiver Einschnitt in die Souveränität des Staats. Bis jetzt gab es nur zwei Anlässe, bei denen die Schutzverantwortung ernsthaft diskutiert wurde. Die Intervention der NATO gegen Libyen unter Gaddafi und die Hilfe für Myanmar, nachdem der Zyklon „Nargis“ weite Teile des Landes zerstört und die Regierung nicht die Kapazitäten hatte, ihrer Bevölkerung Hilfslieferungen zukommen zu lassen. Von diesen zwei Beispielen kam nur im Fall Libyens die Schutzverantwortung zum Tragen. Die Umsetzung ist generell hoch umstritten und gilt als sehr unwahrscheinlich. Aber es ist nicht zu leugnen, dass der Staat Venezuela im Moment in einer kritischen Phase ist, die das Potenzial hat, die gesamte Region, zum Beispiel durch Flüchtlingsströme, in ein Chaos zu stürzen. Eine Region, die politisch nicht als besonders stabil gilt.
Die Entwicklung des südamerikanischen Landes deutet nun schon einige Zeit daraufhin, dass es in einen unruhigen Zustand verfällt. Die immer weiter steigenden Zahlen von geschmuggeltem Kokain aus Kolumbien sind ein sicheres Indiz für mehr Arbeit für Schmuggler. Ein von Gustavo Mata Vega, dem Minister für Sicherheit in Costa Rica, veröffentlichtes Satellitenbild zeigt, dass Venezuela der wichtigste Startpunkt für den Lufttransport von Kokain nach Mexiko ist. Insightcrime schreibt, die Festnahme José Meléndez Suárez‘ belege den Fortschritt der kriminellen Organisationen. Das verwendete Flugzeug ist dafür optimiert worden, möglichst große Mengen der Droge über den Luftweg zu schmuggeln. Die anhaltenden Unruhen spielen Akteuren, die illegalen Aktivitäten nachkommen, in die Karten. So stärken die aktuellen Vorkommnisse alle, die in organisierter Kriminalität tätig sind und dies könnte langfristig schlimme Auswirkungen auf die Entwicklung Venezuelas haben.