Den USA wird häufig vorgeworfen, dass sie mindestens eine Mitschuld an den Zuständen haben, die in Mexiko herrschen. Die prominentesten Argumente für diese Position sind in der Regel einmal, dass die USA mit Abstand der größte Konsumentenmarkt für Drogen aus Südamerika ist, und dass der fast ungebremste Waffenmarkt die Kartelle mit immer neuen Waffen und Munition versorgt. Der erbitterte Kampf gegen die Drogenkartelle fordert jährlich tausende Todesopfer. Auch unbeteiligte Zivilisten geraten zwischen die Fronten. Dass diese Zustände einmal durch die USA mit ausgelöst worden sind, wissen die wenigsten.
Seinen Anfang hatte diese Geschichte im Jahr 1973. Um Einfluss auf den im Gazastreifen tobenden Krieg zu nehmen, senkten die OPEC-Staaten ihre Ölfördermenge um 25 Prozent, und sorgten so dafür, dass Erdöl deutlich teurer wurde. Die USA, die zu diesem Zeitpunkt bereits in einer Rezession steckten, reagierten mit einer Erhöhung des Leitzinses. Diese Maßnahme verhinderte zumindest ein weiteres Ansteigen der Inflation, sorgte allerdings zu einer massiven Steigerung der Arbeitslosenquote.
Doch diese plötzliche Erhöhung des Leitzinses hatte einen fatalen Einfluss auf die kurzfristigen Kredite Mexikos. Deren Zinsen verdoppelten sich darauf hin fast. 1982 kam dann der nächste Schlag für das Land, das zum großen Teil von Ölexporten lebte. Der Ölpreis sank wieder, und Mexiko gab den USA zu verstehen, dass es seine Zinszahlungen nicht mehr aufbringen konnte. Das führte zu einer Panik unter den großen US-Banken. Diese hätten enorme Summen an Kapital verloren, wenn Mexiko bankrott gegangen wäre, vielen hätte selbst eine Insolvenz gedroht. Zudem hatte man große Angst vor einem Dominoeffekt, der zuerst Südamerika und schließlich das gesamte internationale Finanzsystem mit in den Abgrund hätte reißen können.
Also einigte man sich auf eine ähnliche Taktik, wie sie heute bei Griechenland angewendet wird. Es gab Notfallpakete, und im Gegenzug wurden in Mexiko öffentliche Dienste privatisiert und staatliche Sozialleistungen gekürzt. Der mexikanische Staat verpflichtete sich auf eine reine Konzentration der Rückzahlungen an den IWF und die USA. In den Folgejahren verschmälerte Mexiko seinen Staat drastisch. Das Land öffnete sich für ausländische Investoren und Subventionen wurden gestrichen. Dies führte zu dem Verlust von bis zu 800.000 Arbeitsplätzen und einer Stagnation der Löhne bei gleichzeitigem Anstieg der Lebensmittelpreise. Der Zugang zu Bildung und der Gesundheitsversorgung wurde erschwert. Diese Effekte verstärkten sich durch das Freihandelsabkommen NAFTA, welches 1994 mit den USA beschlossen wurde.
Dieses drängte vor allem kleine Bauern in die Armut. Diese sahen keinen anderen Weg als entweder in die großen Städte zu ziehen und dort ungewollt die Slumbildung voranzutreiben, oder Pflanzen anzubauen, mit denen sie noch Geld verdienen konnten. Vorrangig Marihuana oder Mohn. Die Armut in den Städten sorgte zudem dafür, dass die aufkommenden Drogenkartelle eine Riesenauswahl an willigen Rekruten für ihre Milizen hatten.
Was dann folgte war nur ein logischer Schritt in dem von der Wirtschaftskrise gebeutelten Land. Die für einen Hungerlohn arbeitenden Polizisten ließen sich leicht bestechen. Mexikaner, die im Zuge des NAFTA-Abkommens in den USA arbeiteten, eigneten sich perfekt als Schmuggler in den extra von Drogenbossen erworbenen Fabriken auf der nördlichen Seite der Grenze.
Da die PRI, die in Mexiko seit Jahren dominierende Partei, selbst tief in Schmuggelgeschäfte verstrickt war, gab es zunächst kaum Maßnahmen gegen den Drogenschmuggel.
Die relativ schnelle Neoliberalisierung der Gesellschaft sorgte für eine erste Generation von Mexikanern, denen Gewinn wichtiger war, als eine funktionierende Gesellschaft. Sie zogen den Wettbewerb der Kooperation vor. Aus dieser Zeit könnte das Selbstbild kommen, das viele Drogenbosse noch heute vermitteln.
Natürlich kann man den USA keine gewollte Eskalation der Lage vorwerfen, jedoch haben sie bewusst die Ausbeutung der mexikanischen Bevölkerung für ihre eigenen wirtschaftlichen Vorteile in Kauf genommen und eine äußerst kurzfristige Politik gefahren. Dass sie selbst einmal mit der inzwischen vorherrschenden Armut in Mexiko in Form von Einwanderung und immer größeren Drogenproblemen konfrontiert werden würden, war den Entscheidungsträgern wohl nicht klar. Die Schmälerung des mexikanischen Staates durch Privatisierungen dauert bis heute an. Erst Anfang dieses Jahres wurden Pläne zur Privatisierung des Wassers öffentlich Der Energiesektor ist bereits privatisiert. Inzwischen scheint es, als ob die Regierung sogar das Gewaltmonopol abgegeben hätte. Neben privaten Sicherheitsfirmen bilden sich immer mehr Bürgerwehren, die selbst in die Spirale aus Gewalt und Machtspielen gezogen werden und sich mit der Zeit im organisierten Verbrechen wiederfinden.